Man könnte daran zweifeln, ob es von diplomatischem Geschick und Weitsicht amerikanischer Außenpolitik zeugte, von den tausend guten Gründen, das Baath-Regime Saddam Husseins mit Gewalt zu stürzen, nur den einen herausgegriffen und den Kriegsgegnern damit die Gelegenheit verschafft zu haben, diesen in der öffentlichen Wahrnehmung als den einzigen erscheinen zu lassen, daß nämlich im Irak Massenvernichtungswaffen produziert und gefunden würden. So kann man der Unvernunft unfreiwillig in die Hände spielen, wie man daran beobachten konnte, wie genüßlich die deutschen und europäischen Massenmedien und so genannte Völkergemeinschaft das magere Ergebnis ausschlachten konnten, das die Suche nach solchen Waffen bisher zu Tage förderte. Ein schwer wiegender Punktsieg für die Appeaseniks. Daß Colin Powell, als er vor einem Jahr seine Anklage gegen die irakische Regierung vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen darauf zuspitzte, der Irak verberge seine biologischen und chemischen Waffen in mobilen Produktionsanlagen, sich ausgerechnet auf einen Informanten des Bundesnachrichtendienstes als Kronzeugen stützte, der in Deutschland lebte, und dessen wahre Identität der BND, angeblich aus Gründen des "Quellenschutzes", vor dem CIA verbarg - um ihn später selber und mit ausgiebiger Schadenfreude als Lügner "enttarnen" zu können1 -, bestätigt solche Zweifel. Man staunt fast, wie arglos die amerikanische Regierung das Ringen um die Weltmeinung in diesem Fall betrieb, und wie einfach es für ihre Widersacher sein kann, einen "Partner" über den Tisch zu ziehen, der einem trotz aller Warnhinweise noch einen Rest an Vertrauen schenkt.
Wird das gegenüber dem Iran wieder so ablaufen? Der Tendenz nach: ja, aber das Ergebnis fällt, bisher, etwas anders aus. Denn zwar konzentriert sich der politische Druck, der sich seit dem Sturz der irakischen Faschisten im vergangenen Jahr verstärkt gegen die iranischen Machthaber richtet, abermals auf deren Waffenprogramme. Die antisemitische Ideologie des Gottesstaates, die dessen Griff nach der Atombombe überhaupt erst die Schärfe verleiht, durch die sich unmittelbar die Notwendigkeit einer Intervention begründet, wird dabei fast wie eine Privatangelegenheit der Mullahs behandelt. Allerdings erfolgt die Zuspitzung in diesem Fall unter anderen Voraussetzungen als zuvor gegenüber dem Irak. Das Atomwaffenprogramm des Iran ist so unübersehbar weit vorangeschritten, sein Zweck so unbestreitbar klar und das islamistische Regime so unbeeindruckt von dem, was sich gegen es zusammenbraut, daß es gar keines subtilen geheimdienstlichen Nachbohrens mehr bedürfte, um Anklage gegen es zu erheben. Die iranische Atombombe ist eine greifbare Gefahr, und so könnte es diesmal gerade die Beschwichtigungstaktik der Europäer sein, die sich vor der Welt offen blamiert. Deren Bemühungen andererseits, sich abermals schützend vor eine faschistische Clique zu stellen, die nichts als Terror verbreitet und nach den Waffen strebt, mit denen sie Amerika zu trotzen und die Juden endlich zu vernichten hofft, ist gleichwohl unverkennbar.
Bereits im Juni 2003 hatte der Direktor der Internationalen Atomenergie Agentur, Mohamed ElBaradei, dem Iran vorwerfen müssen, seine Verpflichtungen nicht erfüllt zu haben, die das Land als Mitglied des Nichtverbreitungsvertrages eingegangen ist. Der Iran hatte systematisch solche Komponenten seines Atomprogramms geheim zu halten versucht, die für militärische Zwecke nutzbar, wenn nicht vorgesehen sein könnten. U.a. waren Inspektoren der Agentur schon im März und im Mai 2003 auf Spuren hochangereicherten, sprich: waffenfähigen, Urans in einer komplett ausgestatteten Anreicherungsanlage in Natanz, 200 Meilen südlich Teherans, gestoßen. Die Existenz der vermutlich Mitte der neunziger Jahre gebauten Anlage war erst im August 2002 vom Nationalen Widerstandsrat des Iran aufgedeckt worden. Es handelt sich dabei um eine Pilot-Anlage von Gas-Zentrifugen, die angeblich für die Produktion schwach angereicherter Uran-Brennstäbe für die Bestückung von Atomreaktoren zur Stromerzeugung benutzt werden soll, dem Regime aber zugleich das Material für den Waffenbau direkt in die Hand gibt. Es ist wahrscheinlich die am weitesten fortgeschrittene und in gewisser Weise gefährlichste Anlage, über die der Iran gegenwärtig verfügt: "Natanz könnte für die Produktion schwach angereicherter Uran-Brennstäbe betrieben werden, bis der Iran sich dafür entscheidet, daß er waffentaugliches Material haben will. Es würde nicht lange dauern, das schwach angereicherte zu waffentauglichem Material anzureichern. Zum Beispiel, wenn Natanz mit voller Kapazität betrieben würde, und das Endprodukt - schwach angereichertes Uran (5 Prozent Uran 235) - wiederholt jeweils in den Produktionskreislauf zurückgegeben würde, könnte die Anlage binnen Tagen genug waffentaugliches Material für eine Waffe liefern".2
Eine "kommerzielle" Anlage mit einer fünfzig mal größeren Kapazität als diese Pilot-Anlage wird direkt neben dieser unter der Erde, d.h. für Satelliten unsichtbar, gebaut und soll im Laufe des Jahres 2005 in Betrieb gehen. Mit dieser unterirdischen Anlage könnten die iranischen Machthaber, wenn sie denn wollten, jährlich das Material für bis zu 30 Atomwaffen herstellen.
Außer den bekannten Leichtwasser-Reaktoren in Bushehr, deren Bau das deutsche Unternehmen Siemens begonnen hatte und die jetzt mit russischer Unterstützung fertiggestellt werden sollen, und jener Gas-Zentrifugen in Natanz, offenbarten die Nachforschungen der Internationalen Atomenergie Agentur noch eine Reihe weiterer Anlagen, die für die Produktion von Atomwaffen relevant sein könnten. Im August 2003 entdeckten die Inspektoren abermals Spuren waffenreinen Urans, diesmal in der Anreicherungsanlage der Kalaye Electric Company in Teheran. Eine Konversions-Anlage in Isfahan, in der sogenanntes yellow cake in Uran-Hexaflorid und Uran-Dioxid umgewandelt werden kann, zeigte das Bemühen des Iran, einen vollständigen Brennstoff-Kreislauf zu etablieren, wie es charakteristisch für einen Staat ist, der sich als unabhängige Atommacht herausputzen will, und deshalb aus Sicht der Nichtverbreitung von Atomwaffen als besonders heikel gilt. In dem atomaren Forschungszentrum der Jabr Ibn Hayan Lab-Tehran war bereits in den neunziger Jahren aus mehreren Kilo Uran-Oxiden Plutonium separiert worden. Zusätzlich arbeitet der Iran an der Technik der Laser-Anreicherung in den Anlagen Lashkar Ab'ad und Karaj. Während die Inspektoren noch damit beschäftigt waren, diese Anlagen genauer zu untersuchen, kündigte die iranische Regierung im Mai 2003 ihre Pläne zum Bau eines Reaktors in Arak an, der mit Uran-Dioxid (aus der Konversions-Anlage in Isfahan) und schwerem Wasser betrieben werden soll, und damit in der Lage wäre, am laufenden Band waffenreines Plutonium zu produzieren. Scheinbar sollten mit dieser hervorgekehrten Offenheit jene Skeptiker beeindruckt werden, die dem Iran unterstellen wollten, hinter seinem Programm zur friedlichen Nutzung der Atomenergie verstecke sich nur das Streben nach einer Massenvernichtungswaffe. Denn angeblich solle dieser Reaktor ja nur Radioisotope für "medizinische" und "industrielle" Zwecke produzieren. Den Inspektoren war allerdings aufgefallen, daß in den Konstruktionsplänen keine Hinweise auf so genannte heiße Zellen zu finden waren, die für die Produktion von Radioisotopen notwendig wären. Die islamischen Schlitzohren gaben darauf die Antwort, daß sie die Konstruktionspläne für heiße Zellen später noch nachliefern würden. So oder so wäre der Iran mit diesem Reaktor in der Lage, gut 10 Kg Plutonium für den Bau von 1 bis 2 Atombomben jährlich herzustellen.3
ElBaradei wollte aus diesen und weiteren Indizien zwar noch immer nicht den Schluß ziehen, den die amerikanische Regierung längst gezogen hatte, nämlich daß das iranische Atomprogramm in Wahrheit ein Atomwaffenprogramm ist. Dennoch sprach die Internationale Atomenergie Agentur am 12. September 2003, nachdem sich herausstellte, daß der Ausbau der Anlagen entgegen anderslautender Beteuerungen und trotz oder wegen des internationalen Drucks uneingeschränkt voranschritt, ein Ultimatum aus, wonach die iranische Regierung aufgefordert wurde, Fragen über die Herkunft von Rückständen hochangereicherten Urans und die Funktion bisher nicht deklarierter Anlagen, die den Schluß auf einen unfriedlichen Zweck ihres Atomprogramms zuließen, bis zum 31. Oktober zu beantworten. Für den Fall, daß sie diese Frist verstreichen lasse, drohte ElBaradei damit, die Angelegenheit an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen weiter zu geben und mit entsprechenden Sanktionen.
Das Ultimatum ElBaradeis regte zwar in Teheran niemanden auf, aber einige europäische Regierungen zu einer regen Geheimdiplomatie an, welche zu der spektakulären Iran-Reise des britischen, französischen und deutschen Außenministers am 21. Oktober führte, wo die drei mit Präsident Khatami, Außenminister Kharrazi and Hasan Rowhani, dem Chef des Nationalen Sicherheitsrats ins Gespräch kamen. Der Besuch verfolgte offensichtlich den Zweck, dem Iran kurzfristig aus der Bredouille zu helfen, und war von den Staatssekretären in London, Paris und Berlin, sowie von "hochrangigen Beamten", die sich bereits in der Vorwoche in Teheran aufhielten, offenbar so gut vorbereitet worden, daß die Besucher schon mit der Selbstgewißheit anreisten, "die Krise friedlich lösen" zu können.4
Und so kam es auch. Gleich an ihrem ersten Besuchstag präsentierten die drei europäischen Emissäre und ihre orientalischen Friedensfreunde in Teheran eine gemeinsame Erklärung, mit der eine "Lösung für alle offenen Probleme gefunden" (Dominique de Villepin), die "Region stabilisiert" (Joschka Fischer), oder zumindest ein "wichtiger Schritt voran getan wurde", wie sich Jack Straw mit der für einen Briten gehörigen Zurückhaltung ausdrückte.5 Die iranische Regierung versicherte darin, daß sie das von der Internationalen Atomenergie Agentur geforderte Zusatzprotokoll zu unterzeichnen beabsichtige, welches dieser unangemeldete Stippvisiten in den verdächtigen Anlagen gewähren sollte. Und obwohl der Iran im Rahmen des nuklearen Nichtverbreitungsregimes eigentlich, wie hervorgehoben wurde, "das Recht" habe, die Kernenergie für friedliche Zwecke zu entwickeln, habe man sich "freiwillig" dazu entschlossen, "alle Urananreicherungs- und -wiederaufarbeitungsaktivitäten... auszusetzen" - also erstaunlicher Weise genau auf die Schlüsseltechnologien verzichten zu wollen, die einem Atomprogramms den militärischen Akzent verleihen. Für die Frage, wozu der Iran diese Technologien zuvor mit so großem Aufwand betrieben und verschwiegen hatte, wo es doch "für Kernwaffen in der Verteidigungsdoktrin Irans keinen Platz gibt" und "das Nuklearprogramm und die nuklearen Aktivitäten des Landes ausschließlich friedlichen Zwecken dienen", wie man plötzlich behauptete, war an diesem friedlichen Tag selbstredend kein Raum mehr. Allerdings würde man später noch genauer erfahren, welche Bedeutung den Wörtern "freiwillig" und "aussetzen" bei der Formulierung dieser euro-islamistischen Erklärung vorbehalten sein sollte. Höchst zufrieden jedenfalls unterstrichen die Besucher im Gegenzug für das iranische Wohlverhalten noch einmal "das Recht" dieses Landes, die Kernenergie "friedlich zu nutzen". Und mit der geschliffenen Formulierung, daß der Iran fortan "mit einem leichteren Zugang zu modernen Technologien und Lieferungen in einer Vielzahl von Bereichen rechnen" dürfe, bot man, wie sämtliche Nachrichtenagenturen richtig interpretierten, den Islamisten sogleich die Technik und die Brennstoffe an, womit sie ihr "friedliches" Atomprogramm ungestört fertig fabrizieren könnten.6
Scheinbar nebenbei enthält die Teheraner Erklärung einen Passus, der heftig aus dem Rahmen fällt, da er, statt wie der übrige Text, den militärischen Zweck des iranischen Atomprogramms zu vertuschen, einen solchen indirekt, um nicht zu sagen: geradewegs rechtfertigt. Als hätte die Friedensbewegung sich dazugesellt und die Federführung übernommen, taucht am Ende der Erklärung plötzlich die Forderung auf, den Nahen Osten in eine atomwaffenfreie Zone zu verwandeln. Steckte in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch eine gewisse Plausibilität darin, daß der Iran die Entwicklung von chemischen Waffen damit rechtfertigte, daß er vom Irak mit eben solchen Waffen angegriffen worden war, so steckt hinter der wohlklingenden Forderung einer regionalen atomwaffenfreien Zone heute nur noch eine Anmaßung, welche keinen anderen Sinn haben kann, als entweder die Legitimation der israelischen Atomstreitmacht anzuzweifeln, oder umgekehrt, die atomare Bewaffnung des Iran durch die Existenz israelischer Atomwaffen zu legitimieren. Schon dieser Passus allein hätte genügt, um die Seriösität des ganzen Unternehmens grundlegend anzuzweifeln.
Doch zunächst lief alles scheinbar wie geschmiert. Tatsächlich unterzeichnete die iranische Regierung nach einigen Querelen jenes Zusatzprotokoll zum Nichtverbreitungsvertrag feierlich am 18. Dezember in der Zentrale der Internationalen Atomenergie Agentur in Wien. Es dauerte aber nicht lange, und der Rest des Teheraner Deals entpuppte sich als ausgemachter Schwindel. Noch während der Gespräche mit den drei europäischen Ministern hatte Sicherheitsrats-Chef Rowhani erklärt, daß der Iran sich das Recht vorbehalte, die Urananreicherung und -wiederaufbereitung, die man gerade "auszusetzen" versprochen hatte, jederzeit wieder in Gang zu setzen, wenn man es für "nötig" erachte.7 Das war also mit "freiwillig" gemeint gewesen. Konsequenter Weise hielt man es in Wirklichkeit erst gar nicht für nötig, den Betrieb und die Arbeiten an den entsprechenden Anlagen auch nur vorübergehend "auszusetzen". Das Wort "aussetzen" sollte vielmehr für "Aussitzen" stehen. Die Anlagen und die Neubauten laufen (wahrscheinlich) bis zum heutigen Tag. Zwar hatte die iranische Regierung am 29. März 2004 zum hundertsten Mal verkündet, die Urananreicherung längst "ausgesetzt" zu haben, aber erst einen Tag vorher die Inbetriebnahme der Konversions-Anlage in Isfahan, von der man allerdings mindestens seit Februar wußte, daß sie längst ihre Arbeit tat, jetzt auch offiziell verkündet. Die von Europa in Opposition zu der amerikanischen eingenommene Haltung, kein Indiz als Beweis für den wirklichen Zweck des iranischen Atomprogramms anzuerkennen, es sei denn, die Geistlichen legten "freiwillig" ein Geständnis ab, wurde zusehends lächerlicher, was sogar dem deutschen Außenministerium auffallen mußte, das sich am 31. März zu der vor Peinlichkeit strotzenden Stellungnahme genötigt fand: "Wir haben die jüngsten Erklärungen des Leiters der Iranischen Atomenergieorganisation, Herrn Gholam Reza Aghasadeh, zur unmittelbar bevorstehenden Inbetriebnahme einer Urankonversions-Anlage in Isfahan zur Kenntnis genommen. Diese Ankündigung sendet das falsche Signal hinsichtlich Irans Bereitschaft, eine Suspendierung urananreicherungsbezogener Aktivitäten zu implementieren".8 Wortgleiche Erklärungen ließen das französische und das Britische Außenministerium verbreiten. Es war natürlich eindeutig das richtige Signal hinsichtlich Irans Nicht-Bereitschaft, seine militärischen Ambitionen aufzugeben. Auch ElBaradei, der schon an dem Teheraner Deal und dem ganzen Versteckspiel mit beteiligt war, konnte schließlich im April nicht mehr umhin, seine Skepsis über die Glaubwürdigkeit der iranischen Regierung zu Protokoll zu geben, was ihn freilich nicht daran hinderte, die Illusion, man könne sich auf Vereinbarungen mit bekennenden Antisemiten verlassen, mit immer neuen "Agreements" zu nähren.
Dabei hatte der Iran das Versteckspiel längst zu einer Art Hase-und-Igel Spiel angereichert: immer wenn ein neues "Agreement" auftauchte, war auch schon eine neue Schlagzeile über das iranische Waffenprogramm heraus. Zunächst meldete die Nachrichtenagentur Reuters am 2. April, daß die Internationale Atomenergie Agentur hochangereichertes Uran noch in mehr als den bereits im vergangenen Jahr bekannt gewordenen Atomanlagen entdeckt hatte, und erläuterte ihren nicht-fachkundigen Lesern auch gleich, wie sie es zu verstehen hätten, daß das gefundene Spaltmaterial einen Anteil des Atoms 235 von 90 Prozent aufwies: "Uran mit einer so hohen Konzentration von U-235 hat wenige zivile Anwendungsgebiete, aber es ist der ideale Reinheitsgrad für eine Atombombe".9 Am 6. April dann hatte ElBaradei nach Gesprächen in Teheran schon wieder ein "Agreement" erreicht, und zeigte sich äußerst "befriedigt" darüber; die iranische Regierung habe sich auf einen Zeitplan eingelassen, wann sie mit "genaueren Informationen" über ihr Atomprogramm herausrücken, und daß sie im Mai beweisen wolle, daß sie keine Atomwaffen herzustellen beabsichtige.10 Am selben Tag kam auch die Kundschaft aus Teheran, daß im Juni der Bau des Schwerwasser-Reaktors in Arak beginnen werde. Zur Erinnerung: die Konversions-Anlage, deren Inbetriebnahme eine Woche vorher offiziell bekannt gegeben worden war, wird das Uran-Dioxid für den Betrieb dieses Reaktors liefern; auf den Konstruktionsplänen fehlen die heißen Zellen, die zur Produktion der Radioisotope für "medizinische" Zwecke benötigt würden, wofür der Reaktor angeblich gebaut wird; sicher ist daher nur, daß die Anlage, wenn sie in Betrieb ist, den Sprengstoff für 2 Plutonium-Bomben pro Jahr produzieren wird.
Daß einer der größten Öl-Exporteure der Welt an solcher Energieknappheit leiden würde, daß er wie vom Fieber gepackt einen Atomreaktor nach dem anderen und einen kompletten nuklearen Brennstoff-Kreislauf in solcher Eile errichten müßte, als gingen im ganzen Land morgen alle Lichter aus, hatten von Anfang an sowieso nur diejenigen geglaubt, die es unbedingt selber glauben oder es andere glauben machen wollten. Wäre der Strom das Problem und wollte das Land für die Zukunft vorsorgen, so müßte man ihm zu Geduld und zur Sonnenenergie raten. Daß die iranischen Faschisten etwas anderes vorhaben, bestätigt auch, wenn eine solche Bestätigung überhaupt noch gebraucht würde, ein Blick in ein weiteres Waffenprogramm, das mit nicht weniger Energie vorangetrieben wird als das zur Produktion von Atombomben. Eine Atombombe nützt ja nicht viel, wenn man sie nicht auf seine Feinde schießen kann. Folglich brauch der Iran Raketen. Und der Umfang und der Fortschritt der iranischen Raketen-Produktion übertrifft die des früheren Irak, der über die Entwicklung einiger Kurzstrecken-Raketen kaum hinaus gekommen war, im wörtlichen Sinn bei weitem. Der Iran verfügt seit Mitte der neunziger Jahre nicht nur über rund 700 Scud-Raketen verschiedenen Typs mit Reichweiten bis zu 700 Km, sondern mindestens seit Mitte 2003 auch über eine nicht genau bekannte Zahl von Mittelstreckenraketen der Serie Shahab mit Reichweiten über 1500 Km, die gegen Israel gerichtet sind. Der Iran ist längst nicht mehr darauf angewiesen, sich die Raketen auf dem internationalen Markt, in Nord-Korea oder China zu besorgen, sondern produziert und entwickelt sie mittlerweile selbst. Er entwickelt seit einigen Jahren auch Interkontinental-Raketen mit Reichweiten über 6000 und über 8000 Km. Keinem Militärstrategen würde je in den Sinn kommen, über Interkontinental-Raketen verfügen zu wollen, hätte er dabei nicht die Absicht, sie mit atomaren Sprengköpfen zu bestücken. Solche Waffen machen für ein Land, das sich, wie die iranische Regierung behauptet, lediglich gegen feindselige Nachbarn zu wappnen gedenkt, keinerlei Sinn mehr; wie die Anschläge Al Qaedas in New York demonstrieren sie den machtpolitischen Anspruch des Islamismus als Weltreligion.
Nach dem die neuen Shahab-3 Mittelstrecken-Raketen im Juli offiziell an den Revolutionären Wächterrat übergeben worden waren, wurden während einer Militärparade in Teheran am 22. September 2003 erstmals 6 Exemplare dieser Massenvernichtungswaffe der Öffentlichkeit präsentiert; sie trugen die Aufschriften: "Wir werden Amerika unter unseren Füßen zertreten" und "Israel muß von der Landkarte gewischt werden". Über Lautsprecher wurde verkündet, die Raketen hätten eine Reichweite von 1700 Km und seien in der Lage, das "Herz des Feindes zu treffen". Natürlich dienen auch diese Waffen nur rein friedlichen Zwecken. Präsident Khatami, der der Parade beiwohnte, erläuterte dies in seiner Ansprache. Der Iran werde zwar von ausländischen Feinden bedroht, erklärte er, strebe jedoch selbst nicht nach dem Besitz von Atomwaffen: "Wir sind grundsätzlich gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und die Existenz von Atomwaffen überhaupt". Er vergaß dabei auch nicht, einigen "ausländischen Regierungen", die dem Iran das Streben nach Atomwaffen unterstellten, den Vorwurf der "Heuchelei" zu machen, da sie gleichzeitig die atomare Bewaffnung des "zionistischen Regimes" tolerierten.11 Es war genau das Argument, das sich einen Monat später unter dem Stichwort "atomwaffenfreie Zone" in dem Teheraner "Agreement" mit den drei Europäer wieder finden sollte: Der Iran hat zwar keine Atomwaffen, aber es ist nur gerecht, daß er welche hat.
Von den Medien weniger aufmerksam verfolgt, spielt sich beim Raketenprogramm das selbe ab, wie beim Atomprogramm. Man versteckt, was noch nicht fertig ist, und zeigt später die schußbereite Waffe. Daran muß man wohl auch die Verlautbarungen des iranischen Verteidigungsministers hinsichtlich der Entwicklung eines Nachfolgemodells der Shahab-3, der Schahab-4 mit einer Reichweite von über 2000 Km, und von Interkontinental-Raketen messen. Ali Shamkhani erklärte im November vergangenen Jahres, daß der Iran nicht, und im März dieses Jahres, daß er "im Moment" nicht die Absicht habe, solche Raketen zu bauen.12 Allerdings hatte er bereits im Januar verkündet, daß der Iran bald einen Satelliten stationieren werde, und ein eigenes System entwickelt habe, ihn ins All zu schießen - was den Autor des BBC, der darüber berichtete, zu der nahe liegenden Schlußfolgerung veranlaßte: "Der Iran hat bereits eine Langstrecken-Rakete entwickelt".13 Shamkhani: "Iran wird das erste islamische Land sein, das in die Stratosphäre eindringt, mit seinem eigenen, einheimischen Transportsystem... Das Weltraumprogramm der Islamischen Republik ist eines der wichtigsten Mittel der Abschreckung für das Land... Es gab eine Zeit, da der Persische Golf eine Quelle der Gefahr für die Islamische Republik war, aber heute, mit der Macht, die wir erlangt haben, kann uns keine regionale oder nicht-regionale Macht mehr etwas anhaben".14
Die Satelliten werden zur Zielansteuerung der Interkontinental-Raketen gebraucht. Da die Europäer offensichtlich die Absicht haben, auch diese Gefahr auszusitzen, hat die amerikanische Regierung schon im Oktober vergangenen Jahres die Initiative mit Plänen für ein Raketen-Abwehrsystem in Südosteuropa ergriffen, um einen Raketen-Angriff des Iran notfalls abwehren zu können. Weil darüber einmal mehr ein Streit mit den Appeaseniks des Alten Europa in der Nato vorauszusehen ist, hat man sich in Washington darauf verlegt, mit den neuen Nato-Mitgliedern Rumänien und Bulgarien bilaterale Verträge zustande zu bringen, durch die man die Pläne bis 2006 zu realisieren hofft.15
Da das iranischen Atomwaffenprogramm zwar ziemlich weit gediehen ist, die Anlagen aber auch noch nicht in vollem Betrieb, d.h. noch nicht mit Spaltmaterial gefüllt sind, wäre jetzt wohl politisch wie technisch der günstigste Zeitpunkt, das von Tag zu Tag gefährlicher werdende Treiben der Mullahs mit gezielten Militärschlägen zu beenden. Amerika und Israel bereiten sich gegenwärtig darauf vor. Im vergangenen Oktober wurde berichtet, daß der israelische Geheimdienst entsprechende Pläne fertiggestellt habe, um gegebenenfalls 6 iranische Atomanlagen, ähnlich wie 1981 im Irak, mit F-16-Kampfflugzeugen anzugreifen und zu zerstören.16 Bisher haben die Europäer durch ihre Politik der Beschwichtigung nur dafür gesorgt, das iranische Regime von amerikanischem Druck zu entlasten. Der politische Spielraum, den sie ihm dadurch verschafften, ermöglichte die Entwicklung der iranischen Atombombe. Erst die Entschlossenheit, einen Schlag gegen die iranische Atombewaffnung zu führen, würde dem Regime die Grenzen seiner Macht in Erinnerung rufen. Ob solche Entschlossenheit allein es zur Mäßigung veranlassen würde, ist allerdings fragwürdig. Letztlich würde wohl nur die Zerstörung der Anlagen selbst die nötige Sicherheit bringen, daß es auch in Zukunft keine Atomwaffen in der Hand der iranischen Gotteskrieger gibt. Der Sieg über den weltweiten Terror wäre damit noch lange nicht errungen, aber es ist gewiß, daß die iranischen Faschisten, die heute eines seiner Zentren bilden, diesen Krieg nicht überleben dürften.
1 Iraqi Defector's Tales Bolstered U.S. Case for War, Los Angeles Times, 28 März 2004, https://www.latimes.com/la-fg-curveball28mar28,1,2569512.story
2 The centrifuge connection, David Albright & Corey Hinderstein, Bulletin of the Atomic Scientists, März/April 2004, https://www.thebulletin.org/issues/2004/ma04/ma04albright.html
3 Einen kurzen Überblick über die militärisch relevanten Teile des iranischen Atomprogramms gibt: Iran's Programs to Produce Plutonium and Enriched Uranium, Carnegie Fact Sheet by Marshall Breit, Carnegie Endowment for International Peace, 1. Dezember 2003, https://www.ceip.org/files/projects/npp/resources/Factsheets/iransnuclearprogram.htm
4 "According to diplomatic sources, Germany, France and Britain have been secretly negotiating a deal with Iran's clerical leaders whereby they would offer technical help to the country in return for full Iranian compliance with the International Atomic Energy Agency ", British, French, German FMs may visit Iran, Agence France Presse, 17. Oktober 2003, https://www.daneshjoo.org/generalnews/article/publish/printer_2988.shtml
5 Iran bows to nuclear demands as Europeans make diplomatic breakthrough, Agence France Presse, 21. Oktober 2003, https://www.hostthemost.com/mail/htmnews.nsf/396d9e5ecd54577c85256d220058d929/5d336cfc1ba5145f85256dc60073a993/Body/M1!OpenElement
6 Vereinbarte Erklärung zum Abschluss eines Besuchs der Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens in der Islamischen Republik Iran am 21. Oktober 2003, Auswärtiges Amt, 21. Oktober 2003, https://www.auswaertiges-amt.de/www/de/laenderinfos/laender/laender_ausgabe_archiv?land_id=63&a_type=Pressemitteilungen&archiv_id=5014
7 wie Anmerkung 4
8 Pressemitteilung anläßlich der Erklärung des Leiters der Iranischen Atomenergieorganisation vom 28.März d.J., Sprecher Walter Lindner, Auswärtiges Amt, 31. März 2004, https://www.auswaertiges-amt.de/www/de/ausgabe_archiv?archiv_id=5566
9 More Bomb-Grade Uranium Found in Iran-Diplomats, Reuters, 2. April 2004, https://www.reuters.com/newsArticle.jhtml?type=worldNews&storyID=4736855§ion=news
10 IAEA and Iran Agree on Action Plan, IAEA Press Releases, 7. April 2004, https://www.iaea.org/NewsCenter/PressReleases/2004/prn200402.html
11 Iran parades new missiles daubed with threats to wipe Israel off map, The Guardian, 23. September 2003, https://www.guardian.co.uk/iran/story/0,12858,1047815,00.html Iran says it will not manufacture Shahab-4 long range missile, Agence France Presse, 5. November 2003, https://www.spacewar.com/2003/031105122356.ffd809xe.html
12 Iran has no plans "at present" to boost the range of its missiles, Agence France Presse, 10. März 2004, https://www.spacewar.com/2004/040310111314.3nr7gnbd.html
13 Tehran aims for satellite launch, BBC, 5. Januar 2004, https://news.bbc.co.uk/2/hi/middle_east/3370143.stm
14 Iran to launch satellite with own rocket within 18 months, Agence France Presse, 5. Januar 2004, https://www.spacewar.com/2004/040105153101.o5oqz4li.html
15 US mulling defensive missiles against Iran in Europe: report, Agence France Presse, 9. Oktober 2003, https://www.spacewar.com/2003/031009191932.lftr8jnz.html
16 Israel ready to launch preemptive strike on nuclear sites in Iran, Agence France Presse, 11. Oktober 2003, https://www.spacewar.com/2003/031011140025.xwahvu5q.html